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Der Mann des Wortes

Sonntag, 5. Januar 2014

Der Genuss des Apothekers

So eine PKW-Maut für alle wäre schon eine Frechheit. Autofahren würde wieder ein Stück mehr Luxus werden. Eigentlich sollte es aber auch Luxus sein, die Umwelt zu verschmutzen. Oder nicht? Ein solches Thema treibt die Deutschen um. Es geht um ihr liebstes Stück – ihr Auto – und wer da ran will, wird mit Liebes- bzw. Stimmenentzug bestraft. Stimmen kriegt nur, wer die Maut ausschließlich für Ausländer fordert. So ähnlich ist es auch mit dem Fleisch. Die Idee eines „Veggie-Day“ wurde niedergetrampelt als Angriff auf Freiheit und Genuss, als Ökodiktatur derer, die nicht wissen, was „richtiges“ Essen ist. Ich bin Vegetarier. Bei mir ist jeden Tag Veggie-Day. Ich sehe mich deshalb aber nicht als blöden „Gutmenschen“, der so entsetzlich Mitleid mit den „armen Tieren“ hat. Natürlich haben die mangelnde Ethik und die Respektlosigkeit gegenüber der Kreatur, besonders in der Massentierhaltung, zu meinen Beweggründen gehört. Aber sogar wenn ich Ethik und Moral außen vor lasse, bleibt immer noch der nackte Egoismus, der so weit verbreitete, als triftiger Grund dafür, die Massenware Fleisch abzulehnen. (Mal abgesehen davon, dass man auch ohne Fleisch hervorragend kochen kann.) Auf Fleisch zu verzichten rettet vielleicht kein einziges Tier. Aber es rettet den Menschen selber davor, Opfer hemmungsloser Medikamenten-Orgien zu werden, wie sie in der Tiermast praktiziert werden. Ich will nicht mit Zahlen um mich werfen, aber in der deutschen Tierhaltung werden doppelt so viel Antibiotika verwendet wie in der Humanmedizin. Anders gesagt: Unser Essen braucht mehr Medikamente als wir selber. Der viel beschworene „Genuss“ ist damit vor allem ein finanzieller: auf Seiten des Apothekers und des Fleischproduzenten. Der Verbraucher hat die Illusion von Produktqualität und steuert mit jedem Minutensteak weiter auf die Multiresistenz zu. Was das bedeutet? Es bedeutet, dass sich Keime entwickeln, die gegen unsere Antibiotika immun sind. Wir werden krank werden, und keiner wird uns helfen können. Wir werden daran, auf gut deutsch, verrecken. Schon jetzt hilft uns keiner. Keine Bundesregierung, keine EU und keine WHO haben ernsthaft Interesse daran, diesen Prozess aufzuhalten, so lange die Maschine so gut läuft. Sie haben ihre Verantwortung an die Pharma-Industrie und deren Lobby verkauft. Wir sollten unsere Verantwortung nicht verkaufen.

Dienstag, 28. Mai 2013

Apfel ohne Biss

Es war ein toller Tag, ich war 17. Ich dachte, dass ich das Abitur machen würde. Daraus wurde nichts. Aber er war der Anlass, dass ich einen mobilen Computer wollte. Mir gefielen jedoch die Laptops und Notebooks (wie auch immer diese Begriffe abgegrenzt sind) der üblichen Hersteller nicht. Samsung, Dell, Sony, keiner konnte mich begeistern. Meine Wahl fiel auf ein kleines weißes MacBook.

Sechs Jahre ist das nun her. Heute sieht das MacBook aus, als wenn jemand auf seinem Gehäuse Schlittschuh gelaufen wäre. Zwei Festplatten sind vor die Hunde gegangen, und Teile wurden getauscht. Aber irgendwie war es auch immer positiv anders, als die Anderen Geräte.
Damals war ich ein Sonderling, ein richtiger Nerd. Heute ist es nicht mehr möglich, mit einem MacBook aufzufallen. Jeder ist inzwischen richtig „anders“ und kauft sich das Statussymbol mit dem Apfel. Egal, ob es ein iPhone, iPad oder eins der MacBooks ist. Jeder, der es sich leisten kann, tut es auch.

Als Nutzer ist man nun mit dem angebissenen Apfel nichts Besonderes mehr. Inzwischen muss man sich aber fragen: Hat Apples Technik denn noch Biss?
Ich glaube nicht. Es spielt inzwischen keine Rolle mehr, ob man sich Samsung, Dell, Sony oder eben Apple kauft. Design und Image sind die einzigen Argumente, die noch übrig sind.


Seit der Chefverkäufer (denn mehr war er nicht) Steve Jobs nicht mehr herrschen kann, hat der Apfel seinen Biss verloren. Das Logo könnte jetzt auch ein unversehrter Apfel sein. Ein Apfel ohne Biss.  

Dienstag, 16. April 2013

Momentaufnahme

Weil es endlich wieder wärmer wird, ein kleines Bild vom letzten Sommer.


Donnerstag, 7. März 2013

Selektive Empörung


Nun ist das Pferdefleisch auch in den Köttbullar angekommen und doch versandet der Skandal wieder, ist nicht mehr aktuell, der Schauder ist wieder abgeklungen. Ilse Aigner lässt man wieder in Ruhe nichts tun.
Eigentlich sollte man aus den Schlagzeilen bestimmter medialer Empörungsheuchler lernen, dass es nicht der rumänische Ackergaul verschuldet hat, dass wir betrogen wurden. Sondern der Konsument selber. Wer billig will, kriegt auch billig. So einfach ist das.
Wie selektiv diese Debatten sind, merkt man erst auf den zweiten Blick. Nicht, dass edle Tiere, für die in anderem Kontext hunderttausende Euro ausgegeben werden, einfach geschlachtet und undeklariert verscherbelt wurden, prägt die Empörung. Nein, man ekelt sich!
Wenn die Augen stets offen wären und mündige Medien berichten würden, wie es ihre verdammte Pflicht wäre, gäbe es jeden Tag, jede Woche Artikel über Antibiotika, Tierquälerei und Betrug in der Lebensmittelindustrie. So lange, bis wir es nicht mehr aushalten, sondern etwas tun.
Es gab aber auch Menschen, denen das Pferdefleisch in der Lasagne gerade recht kam. Reiner Brüderle hat vor Erleichterung sicher erstmal ins  Riesling-Glas geschnauft. Endlich raus aus den Schlagzeilen, endlich die eigene Libido nicht mehr auf dem Prüfstand von Stern und SPIEGEL.
In Wahrheit war man bei ARD und ZDF stolz wie Oskar, dass man das Wort „Hashtag“ jetzt auch kennt und maischbergern konnte über #aufschrei und Sexismus in der Politik.
Dass es den aber nicht nur in der Politik gibt, sondern auch in etablierten Kunstformen, und dass damit Weltrekorde aufgestellt und Stadien gefüllt werden, merkt keiner. Der lupenreine Sexist Mario Barth darf zur Belohnung Werbung machen für frittierte Currywurst. Guten Appetit! Ist bestimmt kein Pferdefleisch drin!
2008 habe ich schon einmal einen Text über die Medienlandschaft geschrieben und es bleibt ist alles beim Alten geblieben, die Themen wechseln, aber die Essenz bleibt.
Die Themen werden eindimensional durchgekaut, Talkshows werden bedeutungsschwanger angepriesen, aber am Ende ist doch nichts gesagt worden. Dass Themen schon da sind, bevor es die Schlagzeilen gibt, interessiert nicht.

Dienstag, 27. November 2012

Wie kommt´s?


Die anderen haben iPads, teure Schuhe, lesen Bücher. Oder haben LIDL-Tüten, trinken Bier, führen Selbstgespräche.
Krasser könnten die Gegensätze nicht sein. Zwischen iPad und LIDL-Tüte liegen nur Zentimeter, aber ein ganzer Schrank voll Geschichten. Bewegte Leben, die aktuell zum einen oder anderen Zustand geführt haben und vielleicht bald wieder eine ganz andere Richtung nehmen.

Wie kommt es, dass man desorientiert durch die Gegend fährt und mit sich selber redet über den Baron und die Krokodile? Bier, Wein, egal was, so scheint es, sind dabei. Die Kleidung riecht danach. Zigarillos für zwei Euro fünfundvierzig.

Wie kommt’s?

Und da das iPad in der Lederhülle. Die würdevoll heruntergezogenen Mundwinkel. Ein Anzug mit der Farbe von Erbrochenem und Scheiße. Die Krawatte: geschmacklos. Desinteresse im Blick, der in der Welt schweifen darf, auf der Suche nach dem nächsten bemitleidenswerten Objekt mit LIDL-Tüten und Zigarillos für zwei Euro fünfundvierzig.

Wie kommt’s?

Sonntag, 11. November 2012

On The Go 2


Nach dreizehn Stunden Reise mit demselben Start- wie Zielpunkt werden die effizient gepolsterten Sitze härter.
Farben werden nervig. Decke: grau; Wände: Eierschale; Sitze: blau; Boden: dunkelgrau. Der Innenarchitekt wurde bestimmt gut verwahrt.
Ich hoffe, in Karlsruhe gibt es ein gutes Klo.
Meine Beobachtungen gehen immer weiter. Die rechte Hand wird schwarz vor Tinte. Das Schreiben tut gut. Mein Geist bläht sich nicht mehr, sondern furzt sozusagen jeden Gedanken mit dem BIC aufs Papier. Wie viele rote S-Bahnen gibt es hier eigentlich?

Die Sonne habe ich das letzte Mal gesehen, als sie aufging. Jetzt geht sie unter und zeigt sich mir noch einmal. „Bis – hoffentlich – morgen!“

Jetzt scheine ich auch so einer zu werden. „So einer“, der immerzu kritzelt, mit irgendeinem Stift auf irgendeinem Block. Aber eigentlich kann ich das so nicht. Ich brauche meinen Stil. (Dachte ich jedenfalls.) Moleskine, LAMY, und auf geht’s zu den ganz großen Gedanken.
Aber die stehen jetzt kaum leserlich auf einem Brunnen-Block, mit einem BIC geschrieben.
Durchschnitt, nicht Besonderes. Doch geht’s um das Instrument? Ist es nicht der Mensch, auf den es ankommt?

„Was zählt, is auffem Platz!“

Vielleicht taugt ja einer von allen Sätzen dieses Tages dazu, dass sich jemand erinnert.
Aber dafür müsste ihn ja erstmal jemand lesen können.
Der Akku meines unheimlich smarten Phone hält mit Glück bis nach Hause.
Stift und Papier haben keinen Akku.
Zum Glück.

Letzter Zug. Alle Improvisationskünste waren umsonst. Ich bin nur länger gefahren. Saß eine halbe Stunde weniger am Bahnhof rum.
In dieser Zeit habe ich das Leben der Menschen beobachtet. Diese Menschen werde ich nie wieder sehen. Und wenn doch, wird es mir nicht auffallen. Ich könnte diese Menschen zufällig in Waltershofen oder Tokyo wiedersehen und würde es nicht merken, wobei dies doch eine fulminante Zufälligkeit wäre. 

Und wie man so sitzt und schreibt, träufelt ein Album nach dem andern ins Ohr. Ich merke es kaum, dass Songs an mich herankommen, die ich sonst wohl übersprungen hätte.

Meine Reise ist vorbei.

Eigentlich schade.  

Freitag, 2. November 2012

On The Go


Gießen
S-Bahn-Lokführer aus Frankfurt warten nicht gern. Dafür warte ich umso länger. Zehn Sekunden für ihn, zwei Stunden für mich.

Friedberg
Hier gibt es kein Gleis drei.
Ein Schreibblock kostet zwei Euro fünfundneunzig.

Ich arbeite mich Stück für Stück vorwärts. Ich weiß noch nicht, wie es in Frankfurt weitergeht. Mannheim wäre gut.

Wie wäre es mal mit „Frankfurt 21“?
Dann könnte man diese Brücken abreißen. Fortschritt, Infrastruktur, Wachstum – Wörter, die mit einer Farbe und zwei Materialien verbunden sind. Grau. In Form von Asphalt und Beton.

In Frankfurt ist die Luft im Zug besser als die auf dem Bahnsteig.

Es geht nach Mannheim und ich hoffe, dann nach Karlsruhe.

Keiner denkt mehr an Frankfurt, ist schließlich auch schon eine Dreiviertelstunde her.

Ich bin in Groß-Rohrheim und es nützt mir nichts. Groß-Rohrheim allerdings auch nicht.
Wir perlen aneinander ab.

Wie muss es sein, zwischen Mannheim und Frankfurt zu wohnen? Zwischen den beiden hässlichsten Orten, die mir als Bahnreisender bisher untergekommen sind? Wenn man mal in die Stadt will, hat man also immer die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Biblis – na und?

Vier Euro haben mich der Block und der Stift gekostet. Hätte ich ein iPad für siebenhundert Euro gekauft, würde ich es großartig finden, dass ich damit Reisenotizen machen kann. So finde ich die vier Euro einfach Wucher.

Ich fahre über eine endlose Insel, die in grauer Suppe schwimmt.
Kein Horizont – einfach graue Suppe.

Habe ich schlechte Laune? Nein.
Ich weiß, ich komme nicht an, wann ich ankommen will. Ich weiß nicht, wie es in Mannheim weitergeht, denn ein S-Bahn-Lokführer konnte nicht zehn Sekunden warten. Ich bin drei Kilometer durch Pohlheim gewandert, überall graue Suppe.
Es perlt an mir ab. Es ist okay.

Ich merke mir die Gleisnummern mit Rückennummern. Die Bahn nach Karlsruhe fährt bei Papiss Demba Cissé.
An Gleis neun liegen keine Schienen. Der Lautsprecher sagt: „Heute von Gleis acht“
Die Arbeiter tun mir leid. Morgen wieder von Gleis neun.

Wie lange dauert’s eigentlich nach Karlsruhe?

Egal.